
RFT Uhrenzentrale
LUhZ B
Wie alles begann
Im Frühjahr 2023 erhielt ich durch einen Kontakt aus Uhrenkreisen einen Hinweis zum Standort einer alten RFT Uhrenzentrale, welche sich in einem „Lost Place“ irgendwo auf der Insel Rügen befinden sollte. Anhand von Koordinaten ließ sich zwar oberflächlich ein Standort feststellen, jedoch befanden sich dort unzählige Gebäude und es ließen sich keine öffentlich einsehbaren Bilder aus dessen Inneren finden. Mangels konkreter Informationen und Ansprechpartner vor Ort ließ ich das Thema zunächst für einige Zeit ruhen.
Im Dezember 2023 meldete sich ein weiterer Kontakt bzgl. einer RFT Uhrenzentrale, dieses Mal samt einem Bild aus einer nicht näher genannten Facebook-Gruppe. Es gab keine Angaben zum Standort der abgebildeten Anlage, jedoch lag die Vermutung nahe, dass es sich um die Location aus dem 1. Hinweis handeln könnte.
Mit dem Bild als einzigen Ansatz begab ich mich kreuz und quer auf die Suche durch das Internet. Mitte Januar 2024 stieß ich schließlich auf den Originalartikel, welcher weitere Bilder enthielt. Anhand dieser Bilder ließ sich tatsächlich der bereits vermutete Standort bestätigen. Er konnte sogar auf ein konkretes Gebäude eingegrenzt werden.
Mit den mir nun vorliegenden Informationen recherchierte ich zunächst den Eigentümer des Gebäudes und kontaktierte anschließend einen „Uhrenfreund“ aus dem Norden. Dieser hatte zu meinem Glück direkte Kontakte zum Eigentümer und konnte die Rettung der Anlage in die Wege leiten.
Anfang April 2024 war es schlussendlich soweit: Die Anlage konnte demontiert und in die Heimat transportiert werden. Der Tag begann früh und ein spätes Ende war absehbar. Ein treuer Uhrensammler aus dem Raum Magdeburg begleitete mich bei der Tour.
In dem großen Verwaltungsbau schein die Zeit irgendwann nach dem Mauerfall und den darauffolgenden Jahren stehen geblieben zu sein. In einem der oberen Stockwerke befand sich ein Technikraum, welcher die Uhrenzentrale und weitere Fernmeldetechnik beherbergte. Hier demontierten wir nun die 4 Metallschränke und verluden diese in den mitgebrachten Transporter.


Erste Bestandsaufnahme
Im Folgenden werden einige Rahmendaten zur Uhrenanlage vorgestellt:
RFT Uhrenzentrale
Kombinat VEB RFT Fernmeldewerk Leipzig Stammwerk DDR
Typ: LUhZB 12/24 (12 Linien, 24 V Betriebsspannung)
F.-Nr. 84/0475 (Baujahr vermutlich 1984)
Maße: 2,2 m breit, 1,8 m hoch und 0,35 m tief
Gewicht: ca. 410 kg
Gestellanordnung (v.l.): HU1 (Betriebshauptuhr), NUF1 (Nebenuhrenfeld 1 mit gem. Überwachungsbausteinen), NUF2 (Nebenuhrenfeld 2 als Erweiterungsfeld für den Anschluss je 6 weiterer Nebenuhrenlinien), HU2 (Reservehauptuhr)

Fehlteile
Betriebshauptuhr (HU1)
- Rahmen:
- 2x Schlösser
- RFT-Logo
- untere Abdeckplatte
- Hauptuhr:
- Zifferblatt
- Zeiger
- Gewicht
Nebenuhrenfeld 1 (NUF1)
- Rahmen:
- 4x Schloss
- untere Abdeckplatte
- Bauteile:
- Strommesser (B 72 DS 1A- 60 mV-d- TGL 16530)
- Stufenschalter (2/15/1-15 R2 TGL 10008) inkl. Blende und Knopf
Nebenuhrenfeld 2 (NUF2)
- Rahmen:
- 4x Schloss
- untere Abdeckplatte
- Bauteile:
- Stufenschalter (2/15/1-15 R2 TGL 10008) inkl. Blende und Knopf
Reservehauptuhr (HU2)
- Rahmen:
- RFT-Logo
- untere Abdeckplatte
- Hauptuhr
- Zifferblatt
- Zeiger
- Gewicht
- Pendel
- Uhrwerk
Worklog
Einträge:
- Reparatur defekter Einbau-Nebenuhr
- Wiederbeschaffung Schalter für Linienstrom
- Nachbau der fehlenden Schlösser
- Einbau Betriebshauptuhr HU1
- Nachbau Blende Linienstromschalter
- Einlöten der Stufenschalter
- Finale Positionierung und Erstinbetriebnahme
- Nachbau Montagehalterung
Reparatur defekter Einbau-Nebenuhr
Bei der Bestandsaufnahme fiel auf, dass jede Kontrollnebenuhr (ferner KNU) bzw. Nebenuhrlinie (ferner NU-Linie) auf dem Kontrollfeld jeweils mit Bleistift beschriftet wurde. Eine der KNUs wurde mit „defekt“ beschriftet. Als erste Aufgabe nahm ich mir somit die Revision bzw. Reparatur dieser KNU vor.
Das Problem war schnell gefunden: die KNU konnte bei bestimmter Polarität nicht fortschalten. Der Grund hierfür lag darin, dass der Drehanker gegen das Kernblech des Uhrwerks drückte und die resultierende Reibung zu groß war, um bei einem entsprechenden 24V-Impuls ausgerichtet zu werden.
Das in den KNU vom Typ ENU 1 verbaute Uhrwerk ist baugleich dem Nebenuhrwerk NUW 20 von RFT/GW. Leider zeichnen sich diese Werke dadurch aus, dass sie im Gegensatz zu älteren Werken extrem wartungsunfreundlich sind, da die Zahnräder nicht mehr ohne weiteres entnommen werden können.
Nach verschiedenen Versuchen das Problem zu lösen zeichnete sich leider kein Erfolg ab. In der Endkonsequenz ersetzte ich daher das Uhrwerk vollständig durch ein NUW 20, welches mit wenigen Anpassungen direkt verwendet werden konnte.


Wiederbeschaffung Schalter für Linienstrom
Leider wurde in beiden Nebenuhrenfeldern der Schalter für die Auswahl der NU-Linie entwendet. Das Paket besteht im Kern aus einem Stufenschalter, einem Drehknopf und einer Blende mit entsprechender Gravierung.
Anhand der Schaltteillisten konnte das Originalteil und die dazugehörigen Spezifikationen schnell identifiziert werden. Bei dem Stufenschalter (2/15/1-15 R2 TGL 10008) handelt es sich um einen Stufenschalter mit 2 Ebenen und (in der R2-Version, Schaltwinkel 30 Grad) 8 Schaltstellungen.
Leider war zum Zeitpunkt der Restauration kein identischer Schalter verfügbar. Im Internet fand ich durch Zufall zwei baugleiche Schalter, jedoch in der R1-Version (15 Stellungen, Schaltwinkel 15 Grad). Um diese möglichst nahe an das Original heranzuführen, füllte ich die geraden Stellungen mit Kunststoff auf, sodass analog zum Originalteil die ungeraden Schaltstellungen wählbar waren.
Im nächsten Schritt mussten die verbauten 6mm-Wellen durch neue Wellen mit angepassten Bohrungen ersetzt werden, sowie die Drehknöpfe besorgt werden. Hier wurde ich nach kurzer Suche in Stuttgart (wie auch immer diese ihren Weg dorthin fanden) fündig. Den Drehknöpfen fehlten ihre Abdeckung. Diese fertigte ich aus Aluminium-Rundmaterial nach.



Nachbau der fehlenden Schlösser
Wie bereits in der Bestandsaufnahme zu lesen war wurden nahezu alle Schlösser der Uhrenanlage demontiert. Für die übrig gebliebenen beiden Schlössen fehlen die passenden Schlüssel. Da die Beschaffung originalgetreuer Schlösser für den Moment zu aufwändig erschien, holte ich einen weiteren Freund mit einem hohen Maß an Expertise im Bereich des 3D-Drucks ins Boot.
In einer kleinen Sitzung am Wohnzimmertisch entwarf mir T. spontan anhand der Originalmaße eines Doblina Schlosses einen Schließzylinder mit Drehknopf anstelle eines Schlüssels. Eine praktische Alternativlösung zum Original und vor allem schnell umsetzbar. Das Ergebnis war sehr zufriedenstellend, sodass das 3D-Modell anschließend 12-Mal gedruckt und verbaut wurde.




Einbau Betriebshauptuhr HU1
Wie bereits beschrieben wurden beide Hauptuhren der Zentrale entwendet. Dies stellte mich vor die Herausforderung, je zwei elektronische Hauptuhren vom Typ HU22 zu organisieren und vor allem zu finanzieren, da entsprechende Modelle im Internet durchaus 500 Euro und mehr kosten können und sehr gefragt sind.
Daher stand für mich bereits zu Beginn des Projektes fest, dass ich meine eigene in Betrieb befindliche HU22 in die Zentrale einbringen werde, um nur noch eine weitere käuflich erwerben zu müssen.
Ich begab mich dazu auf die Suche nach Ersatzteilen für HU22 Hauptuhren oder aber komplette Hauptuhren.
Im April 2024 meldete sich ein Uhrmachermeister aus Spremberg auf meine Suchanzeige und bot mir eine vollständige HU22 zum Kauf an. Im Juli 2024 erfolgte die Abholung und kurz darauf der Einbau in den Betriebshauptuhr-Teil der Zentrale.


Nachbau Blende Linienstromschalter
Ebenfalls entwendet wurden die Stufenschalter samt Blenden.
Da ich zum Zeitpunkt des Aufbaus glücklicherweise noch eine weitere Uhrenzentrale gleichen Typs besaß, welche noch über jene Blende verfügte, konnte ich davon die notwendigen Maße entnehmen und das Aussehen bzw. die Gravur digital nachbauen.
Die Blende drehte ich aus schewarzem Kunststoff-Rundmaterial (POM) entsprechend der Originalmaße.
Ein Bekannter gravierte diese anschließend mittels Lasergravierer. Die Gravur wurde anschließend mit weißer Farbe gefüllt.
Mit dem Endergebnis bin ich durchaus zufrieden.



Einlöten der Stufenschalter
Die in einigen Kapiteln zuvor gebauten Ersatzstufenschalter müssen nun in das Bestandssystem eingebaut und in den vorhandenen Kabelbaum eingelötet werden.
Dank der vorhandenen Bauschaltpläne zur Uhrenzentrale konnte die Kabelbelegung in kurzer Zeit erkannt und die Kabelenden passend zusammengelötet werden.


Finale Positionierung und Erstinbetriebnahme
Im April 2025 erfolgte nach genau einem Jahr die finale Positionierung der Uhrenzentrale.
Dazu wurden die Schränke wieder auf ihre Podeste gehoben, positioniert und ausgerichtet. Durch die Podeste wird die Verlegung der Zuleitungen für die Spannungsversorgung und die Nebenuhrlinien erleichtert.
Nach der finalen Positionierung war die Euphorie für eine erstmalige Inbetriebnahme zu groß um noch länger zu warten.
Es wurde eine Zuleitung vom RFT Netzteil in die Uhrenzentrale verlegt und aufgeklemmt.
Parallel dazu wurden die Kabelbäume aus dem Hauptuhrenteil 1 in das NUF1, sowie vom NUF1 in das NUF2 und den Hauptuhrenteil 2 wieder aufgeklemmt.
Leider fehlt weiterhin der Kabelsatz für das Uhrwerk der HU2, welcher in den nächsten Bauschritten nachgebaut werden muss.

Der erste Probelauf der Uhrenzentrale, ohne laufende HU1 und HU2, verlief weitestgehend reibungslos.
In diesem Stadium war bereits ein Nachstellen der Nebenuhrlinien und dazugehörigen Kontrollnebenuhren (mit einigen standzeitbedingen Einschränkungen) möglich.
Einige Kontrolluhren waren schwerfällig im Gang oder waren grundsätzlich fest. Die KNUs werde ich sugzessive ausbauen, reinigen und ölen, um den reibungslosen Gang wieder zu gewährleisten.
In der Folge des erfolgreichen ersten Tests setzte ich die HU1 in Gang um zu testen, ob eine Fortschaltung durch die HU1 bereits funktional gewährleistet ist.
Die Antwort lautet: JA!
Nachbau Montagehalterung Synchronisationsmechanismus
Das Pendel der Reservehauptuhr (HU2) wird durch die Betriebshauptuhr (HU1) synchronisiert. Das Pendel der HU1 kann durch die sog. Sternwartensynchronisierung (SWS, ein externes Zeitnormal) synchronisiert werden.
Die Beenflussung des Pendels erfolgt mittels einer Montagehalterung mit einem Metallendstück, welches auf das Pendel aufgesetzt wird und durch eine im Gehäuse angebrachte Spule, welche bei Spannungsfluss ein Magnetfeld aufbaut und das Metallendstück der Montagehalterung anzieht.
Die Spule, in den Dokumenten auch als Sy Magnet bezeichnet, wird für die Reservehauptuhr (HU2) durch den Sekundenkontakt der Betriebshauptuhr (HU1) angetaktet. Für die HU1 wird der Sy Magnet durch die SWS getaktet.
Aufgrund der fehlenden Pendel war ein Nachbau der Montagehalterung notwendig. Gemessen am Original erfolgte ein Nachbau mittels 3D-Drucks, wobei das Metallendstück auf das Kunststoffbauteil aufgesetzt wurde.

Fortsetzung folgt…
- Nachbau des Kabelsatzes der HU2
- Einbau der Reservehauptuhr (HU2)
- Revision der Referenz-HU (HU1)
- Prüfung Synchronisation beider HU-Teile
- Störungsbeseitigung der Linien 9 und 10
